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Von neuen Lieben & kaputten Dingen

  • Autorenbild: Philipp Springsguth
    Philipp Springsguth
  • 27. Apr.
  • 7 Min. Lesezeit

Oh Budapest, du hast uns komplett umgehauen. Und das im positiven Sinne. Schon als wir nach unserer 108 km Tour in die Stadt eingerollt sind, haben uns die ersten Eindrücke die Sprache verschlagen.

Nachdem wir uns am 1. Tag in der Stadt aus dem Bett gepellt haben, überlegten wir, wie wir die Zeit hier aufteilen möchten. Neben Sightseeing stand auch das Schneiden unserer Shorts und Updates für die Website auf dem Plan. Fertig vom Vortag haben wir uns erstmal an die To-Dos gesetzt und die Zeit ist verflogen. Uns wird klar, dass ein Tag in der Stadt nicht reicht. Das Hostel ist leider ausgebucht und wir entscheiden uns, am nächsten Tag umzuziehen und eine weitere Nacht in einer anderen Unterkunft dranzuhängen. Erst am Abend sind wir fertig mit Schneiden, Basteln und Bearbeiten und gönnen uns einen kleinen Nachtspaziergang durch die Stadt.


Die Freiheitsbrücke bei Nacht von der Pester Seite fotografiert
Die Freiheitsbrücke bei Nacht von der Pester Seite fotografiert

Wir schlendern in Richtung Donau, sehen eine kleine Demonstration vor der Freiheitsbrücke und machen einen Bogen darum. Circa 500 Meter weiter überqueren wir gerade eine Ampel, vorbei an einem Polizeiwagen. Wir drehen uns um und auf einmal steht da ein Polizist auf der Straße hinter uns und aus der Nebenstraße kommen mindestens 30 weitere Polizisten in unsere Richtung und es werden immer mehr. Komplett aus unserem Film gerissen begreifen wir, dass hier anscheinend gleich eine große Demonstration auf uns zukommt. Wir möchten einen großen Bogen um solche Veranstaltungen im Ausland machen und suchen uns einen Weg aus der Situation. Nachträglich wissen wir jetzt, dass dies Demonstrationen gegen eine Verfassungsänderung waren, welche das Verbot des Christopher Street Days in Ungarn möglich gemacht hat. In Ungarn sind seit 2021 die öffentliche Aufklärung zum Thema Homosexualität und Inhalte zu dem Thema verboten. Sicher in der Unterkunft angekommen, fallen wir ins Bett und schlafen sofort ein.


Der nächste Tag startet und wir packen unsere Sachen und verstauen sie in einem Abstellraum des Hostels. Wir dürfen diese hier einlagern, bis wir in der neuen Unterkunft einchecken können. Wir schnappen uns unsere Fahrräder und erkunden die Stadt. Über die Brücke, auf der gestern noch demonstriert wurde, gelangen wir zum prächtigen Burgpalast, der alten Residenz der ungarischen Könige, und danach weiter zum Budapester Burgviertel. Aus gutem Grund ist das Viertel Teil des UNESCO-Weltkulturerbes. Die Matthiaskirche aus dem 13. Jahrhundert und besonders die verspielte Fischerbastei haben es uns angetan – genau wie den zig anderen Touristen hier. Es ist echt voll, aber wir genießen trotzdem die schöne Aussicht über die Stadt.



Bevor wir in unsere neue Unterkunft einchecken, besuchen wir noch das Parlamentsgebäude und den Stadtpark. In Budapest gibt es so viele historische Gebäude, die uns ins Staunen bringen. Wir wertschätzen unsere Mobilität durch die Fahrräder, ohne die wir diese Vielfalt nicht an einem Tag gesehen hätten.

Taschen im Hostel abgeholt und im neuen eingecheckt, bereiten wir uns wieder darauf vor, morgen Budapest zu verlassen.




Von neuen Begegnungen und guten Entscheidungen


Gestärkt von der Pause geht es nun weiter. Nach den ersten Kilometern entlang der Donau stärken wir uns bei einem Picknickplatz, als plötzlich ein Radreisender in der Entfernung auftaucht. Es ist Markus aus Dresden. Er ist seit zwei Wochen unterwegs und möchte in sieben Monaten in Pakistan ankommen. Wir unterhalten uns gut und stärken uns gleichzeitig mit Brot und Käse. Nachdem wir Nummern ausgetauscht haben, fährt Markus weiter – und wir kurz darauf auch. Es geht über holprige Wege entlang eines Seitenarms der Donau, bis es passiert: Meine hintere Tasche hängt auf einmal nur noch am seidenen Faden. Die Aufhängung hat sich selbst demontiert, nachdem sich eine Schraube gelöst hat. Das war's mit unserem Tagesziel von 90 km. Es finden sich zum Glück die perfekten Ersatzschrauben und nach circa einer Stunde fahren wir weiter.

Wir haben Rückenwind, der uns über die Feldwege des EuroVelo 6 trägt. Wir stellen unser Zelt am Wegesrand auf und hoffen, dass der Wind in der Nacht nachlässt. Wir sind immer noch gezeichnet von dem Zusammenbruch unseres Zeltes auf den Lofoten 2022. Die Nacht verläuft ruhig und am nächsten Tag sagen wir auf Wiedersehen zur Donau und fahren südöstlich ins ungarische Flachland. Weit und breit sieht man nur Felder – und das Beste ist der perfekt ausgebaute Radweg und Rückenwind. Ohne Anstrengung trägt er uns weiter in Richtung Serbien. Wir planen, übermorgen am Dreiländereck (Ungarn/Rumänien/Serbien) die Grenze zu passieren. Wir finden einen schönen Platz, schlagen unser Zelt auf und beenden Tag 21 unserer Reise.


Tag 22 startet optimal, denn als wir unsere Fahrräder beladen wollen, hat mein Vorderrad einen Platten (Platten #2), welcher aber schnell geflickt ist. Wir starten in den Tag und genießen die letzten Kilometer Radweg, bevor wieder Landstraße angesagt ist. Wir kommen gut voran und sind nach einer Mittagspause im Bushäuschen im Nu in Szeged. Wir fahren weiter, bis uns ein Blick auf die Navigation zum Umplanen bringt, denn circa 5 km vor der Grenze soll ein wunderschöner Picknickplatz sein. Eigentlich wollten wir über das Dreiländereck fahren, aber der Platz ist leider in der falschen Richtung – wir wählen einen anderen Grenzübergang. Das war die absolut richtige Entscheidung, denn wir haben diesen riesigen Platz ganz allein für uns. Umgeben von Hasen und Rebhühnern in den Rapsfeldern.





Auch am Morgen bekommen wir unerwarteten Besuch, denn zwei Transporter kommen vollgepackt mit Tischen, Wasser und Snacks. Wir fragen uns, was los ist. Eine Stunde später lüftet sich das Geheimnis: Es kommt aus der Entfernung eine Traube an Radfahrern angefahren. Es sollen mehr als 100 Radfahrer sein, die jedes Jahr eine 50-km-Tour von Szeged aus fahren. Von Rentner bis Radsportler ist alles dabei. Kurz vor unserer Abfahrt stecken uns die Organisatoren noch Wasser und Snacks zu. Wir sind sehr dankbar und fahren los zur serbischen Grenze.



Serbien gibt uns Gegenwind


Die Ausreise aus Ungarn dauert nur 5 Minuten, dafür gestaltet sich die Einreise nach Serbien doch anders als gedacht. Unser komplettes Gepäck wird auf einem Rolltisch von einer Polizistin durchsucht. Das hätten wir nicht erwartet. Zum Glück verstehen wir uns gut und bekommen noch ein paar Tipps für das Land.


Nachdem wir wieder alles geordnet und gepackt haben, fahren wir ein Stück in das nächste Dorf. Dort stärken wir uns mit den Snacks, die wir am Morgen bekommen haben. Dann kommt die nächste Schicht Sonnencreme aufs Gesicht und weiter geht's. Die ersten Kilometer geht es entlang eines Radwegs neben der Straße, bis wir in urige Dörfer einbiegen. Hier scheint das Leben vor 50 Jahren stehen geblieben zu sein. Auf jeden Einwohner kommen hier locker zehn Hühner, drei Ziegen und eine Kuh. Es geht auf Feldwegen weiter und ich rutsche weg. Bis auf ein paar Grasflecken ist aber nichts passiert.

In Senta machen wir Pause und genießen die Frühlingsstimmung bei einem leckeren Schokoeis. Wir sind trotz der Verzögerung an der Grenze und nur 45 km auf dem Tacho zufrieden mit dem Tag. Wir suchen uns einen Schlafplatz zwischen Feldern und dem Fluss. Perfekt, um sich das mal von oben anzuschauen. Wir starten die Drohne und machen ein paar schöne Aufnahmen. Aber beim Ausrichten der Drohne, um uns beim Zeltaufbau zu filmen, passiert es: Ich fliege ohne die Hindernisvermeidung in einen Baum und es knallt. Die Drohne fällt, wird aber von ein paar Ästen auf Brusthöhe gestoppt. Die Kamera hängt leblos an der Drohne und der Schaden ist offensichtlich. Die Halterungsgummis des Gimbals sind gerissen und die Blende der Kamera fehlt.

Was ein Rückschlag – wir suchen direkt im Internet nach Ersatzteilen und Reparaturshops in Serbien. Im zwei Tage entfernten Belgrad werden wir fündig und kontaktieren den Händler. Jetzt heißt es Daumen drücken. Wir gehen ein wenig niedergeschlagen ins Bett und verbringen eine ruhige Nacht.




Der nächste Morgen kommt und wir werden vom Regen begrüßt. Tut aber auch mal gut. Nach 10 km wechseln wir die Flussseite und sollen nun über 35 km auf einem matschigen Feldweg fahren. Nachdem meine hintere Satteltasche den nächsten Schaden aufweist und mit Kabelbinder verarztet werden muss, entscheiden wir uns für den Umweg über eine Landstraße. Auf dem Weg kommt die Antwort auf unsere Reparaturanfrage zurück: Ja, die Drohne kann repariert werden. Aber es soll mehr als 1,5 Wochen dauern. Leider passt das nicht in unseren Zeitplan und wir überlegen uns einen Plan B. Der Wetterbericht für den Tag sieht auch eher mittelmäßig aus. Der Wind nimmt zu und steigt in den nächsten Stunden auf bis zu 70 km/h – natürlich Gegenwind.

Wir haben morgen in Belgrad eine Unterkunft gebucht, also gibt es kein Aussitzen. Wir entscheiden uns für die günstigste Bleibe auf halbem Weg in die Hauptstadt, damit wir uns wenigstens keine Gedanken um einen Schlafplatz machen müssen. Die nächsten Stunden sind hart und die letzten 16 km sind härter. Es wird immer später und der Wind gibt alles, um uns auszubremsen. Da sind die vielen LKWs und Straßenhunde noch das kleinere Übel. Wir kommen ausgelaugt in Zrenjanin an und beziehen unsere simple Unterkunft. Zum Glück hat Maria sich spontan noch über die Trinkbarkeit des Leitungswassers informiert. Dieses ist hier stark mit Arsen belastet und sieht auch alles andere als appetitlich aus. Wenigstens sind wir hier vor dem Wind geschützt.


An Tag 25 haben wir ein Ziel vor Augen – Belgrad oder besser gesagt der Vorort Borča. Der Wind ist unverändert und nach den ersten 15 km landen wir auf der Hauptverbindungsstraße nach Belgrad. Es ist echt gefährlich bei starkem Wind und den zig LKWs hier zu fahren. Aber mit Podcast auf einem Ohr können wir wenigstens ein bisschen abschalten. Langsam geht es dem Ziel entgegen, bis wir für eine kurze Pause in einer Haltebucht stehen bleiben. Vor uns sitzen zwei Bauarbeiter neben einem Transporter, als uns die Idee kommt: Warum nicht einfach die restlichen Kilometer trampen? Das letzte Mal sind wir vor drei Jahren in Norwegen getrampt.

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Die Bauarbeiter können uns auf jeden Fall nicht mitnehmen und das erste Auto, das anhält, ist leider zu klein. Stattdessen wird uns Obst angeboten. Nach nicht mal zehn Minuten hält dann wirklich ein Transporter mit genügend Platz für uns beide an. Wir sind so glücklich, nicht weiter gegen den Wind ankämpfen zu müssen. Unser Held des Tages fährt bis hinter Belgrad und kann uns an unserem Ziel rauslassen. Schnell noch ein Bild gemacht und auf zur Unterkunft. Dort treffen wir drei herzliche Damen, die noch schnell unser Heim fertig stellen. Wir fühlen uns hier direkt wohl – genau das, was wir gerade gebraucht haben.

Die nächsten zwei Tage machen wir erneut "Pause" mit Videoschnitt, Bildverarbeitung und Optimierungen an der Website.


Auf uns wartet die nächste Etappe nach Bulgarien. Hier möchten wir eine längere Pause einlegen, um unsere YouTube Videos der letzten Wochen zu schneiden. Und wer weiß, vielleicht können wir die Drohne ja dort reparieren.


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  • Budapest Szalkszentmárton - 71,1 km

  • Szalkszentmárton Pirtó - 82,2 km

  • Pirtó Tiszasziget - 82,4 km

  • Tiszasziget (Ungarn) Ada (Serbien) - 42,9 km

  • Ada Zrenjanin - 88,0 km

  • Zrenjanin Borca - 67,5 km (31,4 km mit Rad)

Hier gibts mehr:



 
 
 

1 Comment


jochheim.alex
Apr 28

Echt beeindruckend eure Reise bzw auch Reiseberichte. Ich beneide euch um diese Erfahrung.... Viel Spaß und schöne Erlebnisse weiterhin. LG Alexandra

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